Matthias H. 27 Jahre alt, lebt in Swakopmund, Namibia. Er hat bereits zweimal Blutkrebs besiegtUm sich behandeln zu lassen, musste er dafür immer nach Südafrika. Er erzählt uns seine spannende Geschichte, wie es ist in Kapstadt war, seinen Blutkrebs zu bekämpfen. 

AIAS: Hallo und herzlich Willkommen, Matthias! Vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast, mit und hier das Interview zu machen! Ich hoffe dir geht es heute gut? Du lebst ja in Swakopmund? Wie geht es dir da? 

Matthias: Blendend! Also momentan haben wir super Wetter, der Tag ist gut! 

AIAS: Möchtest du ein bisschen von dir erzählen? Was arbeitest du denn in Swakopmund?  

Matthias: Ich und meine Lebensgefährtin führen unser eigenes Restaurant, in Swakopmund, direkt in der Innenstadt und ich bin seit knapp 6 Monaten der jüngste Stadtrat Namibias. Das Restaurant haben wir vor knapp 2 Jahren gekauft, direkt in die Coronakrise rein und haben dann dort durchgedrückt, waren für knapp 8 Monate geschlossen. Im Augenblick wird unser Restaurant komplett saniert und wir wollen in zwei Wochen wieder öffnen! 

AIAS: Du hattest ja bereits zwei Mal die Diagnose Blutkrebs! Wie bist du damit umgegangen? Du warst ja bei der ersten Diagnose noch ein Teenager! 

Matthias: Richtig! Ich war damals erst 17 Jahre alt, das war 2011. Ich war davor für eine lange Zeit richtig krank! Ich hatte eine richtig starke Erkältung, so wie es halt bei den meisten so ist, bevor sie diagnostiziert werden. Es ging mir dann so schlecht, dass ich ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Ich war kreidebleich. Ich erinnere mich, wie ich bevor ich die Diagnose bekommen habe, bereits die Symptome von Leukämie gegoogelt habe, aber als die Diagnose kam ist dann doch mir auf einmal der Schweiß über die Stirn gelaufen… man erschrickt sich! Man denkt, „wieso ich?“ „Mir kann sowas doch nicht passieren! Sowas passiert doch immer nur anderen Leuten!“ Und dann muss man eigentlich die Kuh an den Hörnern nehmen und dann gucken, was passiert. 

AIAS: Und dann die zweite Diagnose? Wann war die?  

Matthias: Die zweite Diagnose war dann knapp 8 Jahre danach! Das war so 2018/19 gewesen. So sieben, knapp acht Jahre danach. Also eigentlich… ja, zu lange danach! 

AIAS: Also du galtst dann schon als schon genesen? Die 5 Jahre waren bereits vorbei! 

Matthias: Eigentlich schon. Richtig! Ich hatte bei der ersten Diagnose halt nur Chemotherapie bekommen für acht, neun Monate, mit einer Erhaltungstherapie für 3 Jahre, wonach ich dann als genesen galt, aber halt immer noch die Chance hatte einen Rückfall zu bekommen. Aber dann habe ich wieder ALL (Akute Lymphatische Leukämie) bekommen. ich wusste zu dem Zeitpunkt schon, dass ich wieder krank bin- ich hatte kein Appetit für knapp 4 Wochen, hab nicht gut gegessen, mir war immer übel gewesen. Dadurch das meine Milz groß geworden ist, meine Leber groß geworden ist, da wusste ich eigentlich schon was Sache ist […] und jetzt geht es in Runde zwei- aber die habe ich ja auch zum Glück relativ gut überstanden! 

AIAS: Ach, das freut mich zu hören! Du wohnst ja im südlichen Afrika, Diagnose Blutkrebs in Afrika, was sind da die Chancen? Was sind da die Therapiemöglichkeiten? Du bist ja damals nach Kapstadt runtergeflogen für die Therapie. 

Matthias: Richtig. in Namibia gibt es ca. 2,5 Millionen Menschen und haben daher natürlich auch Krankenhäuser […]. Aber es lohnt sich da nicht für so wenig Menschen der Zielgruppe Krebs sich darauf zu konzentrieren, um Isolationsmöglichkeiten zu bauen, um wirklich eine Knochenmarkspenderdatenbank, in Deutschland sind es die DKMS, in Südafrika ist es die „bone marrow registry“ hier wirklich aufzubauen. Also liegt es daran, dass man dann immer sagt, man muss nach Südafrika für eine [Krebs]Therapie. […] Kapstadt gilt generell als eine der besten medizinischen Plätze noch immer, weltweit- vor allem wenn es zu Transplantationen geht. Da war von Anfang an mir […] klar, dass ich nach Südafrika muss, schon bei der ersten Diagnose. Bei der zweiten Diagnose war dann auch klar, dass ich wieder schleunigst runterfliegen muss, weil mein Professor auch immer noch dort ist- er wusste noch genau wer ich bin, was meine Geschichte ist und zum Glück hatte er auch Platz und dann konnte ich bei ihm in die Klinik gehen. 

AIAS: Musstest du dann lange da auf deinen Stammzellspender warten? 

Matthias: Nein, also es war so gewesen: Ich bin im Februar, März diagnostiziert gewesen. Ich bin dann direkt runter [nach Kapstadt] und hab mit einer Isolationsstufe angefangen, acht Tage Chemo. […] Dann haben wir direkt angefangen um [einen Spender] zu suchen, Tests angefangen, ob meine Schwester vielleicht in Frage käme. Leider war sie bei 0 %, bei meinen Eltern war klar, beide 50 %, das wollte man aber nicht machen, da meine Eltern beide über 50 sind. Also haben wir dann durch meinen Professor gesagt, dass wir direkt in Deutschland auf die Knochenmarkspende [Datenbank] nachfragen und suchen. Und nach nur 4 Monaten haben sie haben 6 potenzielle Spender gefunden und einer hat überall direkt gepasst, also 100-prozentiger genetischer Match!
Es hat ein bisschen gedauert, bis alles in die Wege geleitet wurde. Ich bin im Februar/März rüber, bin dort dann viermal in Isolation gewesen, also vier Mal 21 Tage. Danach war ich wieder knapp 2 Monate zurück in Namibia gewesen und habe dort gewartet, dass es mit der Transplantation losgehen kann. Dann ging es von heute auf morgen recht schnell, mein Professor meldete sich, dass ich innerhalb zwei Tagen nach Kapstadt zur „prehydration“ [Vorbereitung zur Stammzellspende] 
kommen solle- da hatte ich dann auch gemischte Gefühle: Man weiß, dass man dann komplett „runter gebrettert“ wird. Aber dann ging alles relativ zügig! 10 Tage Chemo folgten und dann Tag 12, das war der 30. Oktober, habe ich dann meine Knochenmarktransplantation bekommen. Damit bin ich dann relativ gut durchgesegelt! 

AIAS: Wow, innerhalb eins halben Jahrs sogar? Wie hat es sich angefühlt, als du die Nachricht bekommen hast, dass du einen passenden Spender bekommen hast? 

Matthias: Relativ überwältigend! Das muss man schon sagen! Man ist ja nicht der Meinung, dass es irgendwo auf der Welt noch jemand gibt, der einen 100-prozentigen Match zu dir ist! Und das da auch sogar 6 in Frage kamen und einer sogar total Identisch ist, das lässt einen schon an Wunder glauben. Es ist ja leider nicht so, dass man einfach in ein Computersystem reinschaut und dann nach zwei oder drei Tagen spuckt er dir deinen Spender raus. Das da nun so viel Zeit mit involviert war- nun „viel Zeit“ – sehr viele Leute müssen noch viel länger warten! Es war dann pure Glückshormone! […] 

AIAS: Meinst du, es gab da große Unterschiede zwischen den beiden Therapien? Haben sich die Therapien in der Zeit dazwischen verbessert? 

Matthias: Ja! Absolut! Also wenn ich zurück denke 2011- diese Isolationszimmer und die Isolationszeiten, die Medizin, die ganzen Geräte die man gebraucht, seien es die Maschinen für den Tropf, […] einfach die Technik! Wie die da weitergegangen ist, ist schon immens groß! Dann die Medizin […], sei es gegen Übelkeit, Verstopfung, Entzündungen, sie hat sie einfach so sehr verbessert, dass man auch diese ganzen Isolationsstufen viel besser überstehen kann.
Dann gibt es heute social media. Als ich das erste Mal da war, war Scype noch so beliebt. Das war für mich die einzige Möglichkeit, um andere Menschen so zu sehen. Das war für mich sehr positiv, weil ich ja in Südafrika war und meine Familie in Swakopmund, Namibia leben.
Und heutzutage: Du hast Facebook, WhatsApp, Scype, Insta und noch so viele andere Möglichkeiten.
Aber auch die Klinik, wenn ich mir die Rollen heute anschaue, die Fernseher auf den Zimmern, die Angestellten, die Krankenschwestern. Das ist alles heute viel mehr familiärer, und auch schneller als vor 10 Jahren. 

AIAS: Hattest du deinen Stammzellspender je kennengelernt? Würdest du ihm gerne was sagen, wenn du die Chance hättest? 

Matthias: Uhm, noch nicht kennengelernt. Möchte ich aber auf jeden Fall gerne einmal machen. In Deutschland gilt es glaub ich nach 3 Jahren darfst du deinen Spender kontaktieren [Anmerkung der Redaktion: Nach 2 Jahren darf man sie treffen und nach einem Jahr darf man anonymen Briefkontakt herstellen] Bei uns läuft das leider krasser: Also ich darf hier erst nach 5 Jahren darf ich mit dem Spender in Kontakt treten und ich darf ich auch nicht direkt anschreiben, sondern das geht dann über die „bone marrow registry“ von Südafrika. Die schicken diesen dann meinem Spender und er darf dann entscheiden, ob er in Kontakt treten will oder nicht. Jemand der von sich einfach sagt, „weißt du was, ich nehme dann jeden Tag Steroide, damit mein Körper mehr Stammzellen produziert, zapf die ab und schick sie zu einer fremden Person, in der Hoffnung, dass man dieser Person wieder ein Leben ermöglichen kann.“ Ich weiß nicht, wie sehr man so einer Person jemals Danke sagen kann! Aber ich denke, da wir beide ja ein 100-prozentiger Match sind, werden wir beide uns auf jeden Fall sehr gut verstehen. Das sollte glaub ich kein Problem sein (er lacht) 

AIAS: Wie hat sich deine Krankheit so auf dein soziales Umfeld ausgewirkt? Wie sind deine Familie und Freunde damit zurechtgekommen? Bei der ersten Diagnose und dann im Vergleich dazu bei der zweiten Diagnose? 

Matthias: Als allererstes musste ich es musste erst mal selbst begreifen, was ich da durchmachen muss. Also habe ich mir gesagt: „Das musst du jetzt packen und geradeaus durch!“.
Das war für alle Leute um mich herum schwieriger. Sie müssen einem als Patienten leiden sehen. Sie sehen einem als Mensch verfallen, mager werden, die Haare fallen aus und sie erleben, wie die Person, die sie kennen, nicht mehr existiert. Beim ersten Mal war es schon krass zu sehen wie meine Eltern darunter gelitten haben! Ich war damals 17 Jahre alt, ich habe meinen 18. Geburtstag in Isolation gefeiert, das ist nicht gerade so etwas, was sich ein Elternteil für sein Kind wünscht! Dann auch noch zu wissen, dass es sein kann, dass in zwei Wochen sein Kind vielleicht nicht mehr da ist. Da haben dann Familie und Freunde mega meine Eltern getragen!
Aber, wir als Patienten sind sehr auf die Leute um uns herum angewiesen, sie machen uns den Alltag leichter. Ich kann nur sagen, ohne meine Leute um mich herum, ohne social media, ohne die Leute, die sich extra die Mühe gemacht haben nach Südafrika zu kommen und mich zu besuchen, hätte ich das gar nicht geschafft.
Ein Mensch alleine kann so stark und willig sein im Kopf, aber du brauchst Energie! Und diese Energie konnte ich nur von den Leuten um mich herum nehmen.
Du fällst da in ein Loch nach einer Zeit, du verfällst in Depressionen, weil die Medizin dich auch Mental kaputt macht. Das ist mir beim ersten Mal auch schwerer gefallen, weil ich mich da nur auf eine Situation vorbereitet habe, wo ich entweder durchkomme oder ich verrecke. Und ich wusste dabei nicht, was da der Ablauf ist, was da auf mich zukommt.
Beim zweiten Mal hatte ich dann auch meine Lebensgefährtin dabei und für sie muss das ein absoluter Horrortrip gewesen sein! Wenn ich sie nicht gehabt hätte,100 pro- hätte ich es nicht geschafft! Nun für meine Eltern natürlich auch- ich habe da eine Person in meinem Leben gehabt mit der ich mehr redete, als mit ihnen. […] Sie war meine Energiequelle, die ich haben konnte. Aber ich habe dadurch diese Energiequelle dabei auch mega- nun ja „ausgesaugt“. Das muss man sich auch überlegen: Die Leute die um einem herumstehen, von denen man diese Energie nimmt, denen muss man auch die Möglichkeit geben diese Energie wieder aufzuladen, weil man die Leute, gut ich spreche hier von meinem Fall, komplett „aussaugt“! Man konzentriert sich da nur aufs Kämpfen und man hat eigentlich nicht wirklich Lust auf anderes! So sind die Leute um einem herum mehr affektiert zu sehen, wie man leidet.
Aber das Umfeld um mich herum war für mich ganz, ganz wichtig gewesen […]. 

AIAS: Wie war die Zeit nach der Therapie? Was hast du als erstes gemacht, als du aus dieser Klinik herausgelaufen bist? 

Matthias: Also ich hatte beim ersten Mal dieses Ritual- wenn ich aus der Klinik rausgelaufen bin, gab es erstmal Fastfood! (er lacht) Nein das war ein Scherz! Aber das allererste was ich gemacht habe, ich habe mich vor das Krankenhaus gestellt und erst einmal tief durchgeatmet! Ich habe mir fünf Minuten gegönnt, hab einfach mal tief Luft geholt, hab in die Sonne geguckt und mich gefreut, dass ich aus diesem scheiß Krankenhaus wieder rauslaufen konnte, hab mich ins Auto gesetzt und jede Sekunde von der Fahrt genossen auf der Fahrt nach Hause. […]
Ich habe mich noch 2 Monate in Kapstadt aufhalten müssen, da sich der CMV der Zytomegalie Virus, sich wieder bei mir im Körper ausbreitete und ich dafür noch regelmäßig Medikamente bekommen musste. Ich habe dann noch 14 Tage über Weihnachten jeden Morgen und jeden Abend noch einen Tropf bekommen und durfte bin dann am 30. Dezember wieder nach Hause fliegen! Die Zeit war dann schon cool! Man hat sich mega gefreut ins Flugzeug zu steigen, natürlich hatte ich die ganze Zeit da immer noch Angst [vor einer Infektion].
In der Zeit nach der Transplantation ist viel Ruhe wieder [in mein Leben] eingekehrt. Man wird sehr ruhig, man überdenkt sehr vieles, aber man ist auch sehr paranoid gewesen. Relativ lustig eigentlich, ich musste da überall natürlich mit Maske herumgelaufen- wie gesagt, mein Immunsystem war nach der Transplantation kaum mehr vorhanden- man muss alles von vorne wieder anfangen [eine Immunsystem] aufzubauen- und jeder hat halt einem angeguckt! Man wird als krank dargestellt, man hat keine Haare mehr auf dem Kopf, ich habe damals nur noch 53 Kilo gewogen, und jetzt läuft jeder nur noch mit Maske durch die Gegend! Jeder Desinfiziert sich seine Hände, bevor man in den Laden geht! Das war für mich Alltag gewesen damals! Ich hatte Paranoia, dass ich bloß keine scheiß Erkältung bekomme. Diese Paranoia musste ich dann wirklich lernen, auch zu verdauen! Ich hatte den riesigen großen Vorteil, dass ich in den Isolationsstufen eine Psychologin hatte, die zwei Mal die Woche vorbeikam und konnte dadurch auch schon sehr viel reden, verstehen und abbauen, vom Herzen einfach herunterkriegen.
Ich habe das Gefühl, dass viel Reden, viel mit Freunden unternehmen sehr wichtig ist. Das war für mich sehr wichtig! […] Das hatte ich aber auch echt bitter nötig gehabt! Ich habe es dringend nötig gehabt wieder Leute zu sehen! Ich kann mich gar nicht satt sehen an Menschen! Ich kann stundenlang einfach nur sitzen und Leute beobachten. […]
Ich habe erst nach knapp sechs, sieben Monate als ich aus Südafrika wieder zurück war, mich wieder so gefühlt, als wäre ich wirklich wieder da. Man fängt dann wieder an Sport zu machen, man traut sich wieder mehr aus dem Haus, man konzentriert sich nicht mehr so darauf jedes Mal sich die Hände zu waschen, sein zuhause steril zu putzen usw. Aber man lernt relativ schnell sich wieder in eine tägliche Routine mit einzubringen! Das ist glaube ich für die meisten auch schwierig, wenn sie so etwas durchgemacht haben. Man muss dann zu sich sagen „ich bin jetzt hier, ich bin gesund, ich habe es geschafft, weiter geht es!“. […] 

AIAS: Was würdest du dann gerne verändern? Wie könnte man denn Blutkrebstherapiepatienten die Therapie erleichtern? 

Matthias: Man ist da in Isolation so zugebunkert, vier Meter breit, fünf Meter lang, da ist noch ein Klo und man muss durch drei Türen bevor man überhaupt in den Raum hineinkommt und dann guckst du aus dem Fenster- ich hatte ein Isolationszimmer, da habe ich durchs Fenster genau auf eine Wand geguckt. Es ist immer kalt gewesen, immer dunkel gewesen. Das bringt dir nichts! Das hilft dir nicht zur Genesung!
Gib den Patienten doch wenigstens eine gute Aussicht! Lass die Patienten doch auf einen Garten gucken! Tiere sehen! Wir wissen heutzutage alle, dass Tiere heutzutage einen großen Einfluss haben können, der zur Genesung sehr viel beitragen kann! Klar, nicht gerade hygienisch, gerade wenn du in der Isolation bist, aber ihr wisst was ich meine. Lass sie Leute sehen, dass sie sich ans Fenster stellen können und Autos fahren sehen! Ich hatte mich riesig gefreut damals, als ich zwei Mal die Möglichkeit hatte dieses Zimmer mit der schönen Aussicht zu bekommen, von wo ich über Kapstadt gucken konnte! Ich habe abends, wenn ich nicht schlafen konnte- ich hatte da auch schon keine Energie mehr- mein Bett hochgeschoben und über Kapstadt rausgeschaut. Du hast einfach die Möglichkeit deine Gedanken von etwas abzulenken, was dir täglich schon den ganzen Tag immer durch den Kopf schwirrt: „Schaff ich es? Oder schaff ich es nicht?“. Darüber denkst du täglich nach! Wenn man einem Patienten wenigstens die Möglichkeit geben kann, andere Menschen zu sehen: Leute die [Auto] fahren, Fahrradfahren irgendwie so etwas. Einfach rausgucken können, weite sehen! Das finde ich, ist sehr sehr wichtig für die Patienten! 

AIAS: Vielen Dank für diese Tipps! Du bist ja nach Südafrika zur Therapie geflogen. Das hat doch auch sicher einiges gekostet, oder? 

Matthias: Uhm ja, in Namibia und Südafrika ist es so, wir haben hauptsächlich Privatkrankenkassen. Unsere staatlichen Krankenhäuser sind absolut nicht ausgerichtet für solche Sachen. […], Es gibt da eine Ärztin […] die im Staatskrankenhaus in Windhoek die ganzen Chemotherapien und alles durchführt und auch mega gut ist und sehr vielen Leuten das Leben rettet. Aber in meinem Fall war nun mal Südafrika die einzige Lösung, allein wegen der Isolation.
Meine erste Therapie lief zwischen 1,2 und 1,5 Millionen Namibiadollar (N$) [88.000 €]. Das hat zum Glück meine Krankenkasse getragen. Mein Vater musste für die erste Stufe nochmal knapp 900.000 N$ [50.000 €] für Unterkunft, Versorgung, Flüge usw. betrifft. Die zweite Krebstherapie haben dann etwa 2,8 Millionen N$ [160.000 €] gekostet, die auch wieder meine Krankenkasse gedeckt hat, und privat musste ich nochmal knapp 2 Millionen N$ [150.000 €] zahlen. Das ist, auf gut Deutsch, „scheiße teuer“ gewesen, aber was bringt dir Geld, wenn du nicht leben kannst? Ich bin da sehr sehr dankbar, dass mein Vater mich da unterstützen konnte. […]
Dann waren da Medikamente. Die Transplantation mussten wir auch Privat bezahlen! Das hat die Krankenkasse nicht bezahlt, weil das ein Spender aus dem Ausland war. Wäre es meine Schwester aber gewesen, hätte die Krankenkasse es bezahlt. Alle Tests, Medizin für den Spender in Deutschland, das alles mussten wir tragen. Das war schon extrem teuer, aber dank der Privatkrankenkasse doch einiges günstiger, als wenn man alle Kosten alleine tragen müsste! 

AIAS: Wow, ganz schöne Hausnummer! 

Matthias: Ja, das ist eigentlich das lustige: Heutzutage kann man es sich eigentlich nicht mehr leisten krank zu werden! Ich hatte ja nach der Transplantation da den CM Virus. […]. Alle Krankheiten bekommt man wieder zum ersten Mal um wieder Immunität aufzubauen. Und die CMV Medikamente habe ich dann zwei Wochen lang intravenös im Krankenhaus verabreicht bekommen. Das hat zum Glück mir auch noch meine Krankenkasse bezahlt. Und dann meinte mein Professor zu mir, dass ich noch knapp zwei Monate Tabletten nehmen muss um die CMV Werte unter einen Schwellwert zu bekommen. Dieses Medikament, ein Antivirales Medikament, da kostete eine Dose ca. 65.000 N$ [4000€] und ich habe 2 Dosen pro Monat etwa gebraucht. Zum Glück hat da die Krankenkasse auch einen Teil mitbezahlt. Wenn man überlegt eine Isolationsstufe allein kostet in etwa 450- 600.000 N$ [35.000€] mit allem Drum und Dran, das ist schon krass!  Und dann 4000 € für ein Medikament, wo ich keine andere Wahl habe- ich musste das Medikament nehmen, sonst verrecke ich! Wenn du Krebs hast, hast du in meinen Augen nur eine Wahl: Schluck und nimm das was der Arzt dir gibt! Denn das hat mir schon zweimal mein Leben gerettet! Es ist zwar Hölle auf Erden, die Chemotherapie aber es funktioniert! […] 

AIAS: Weißt du ob es da Programme gibt, für Leute die sich nicht das leisten können, aber trotzdem diese Therapie bekommen können? 

Matthias: Das gibt es, ja! In Südafrika gibt es mehrere Stiftungen! Es gibt ja in Südafrika viele Plätze die Krebstherapie anbieten, nicht nur Kapstadt. […] Man hat verteilt über ganz Südafrika die „bone marrow registry“, die die ganzen Stammzellspender Datenbanken und so machen. Aber dann gibt es noch den „Sunflower Fund“. Dann ist da „have a heart“. Viele Organisationen, die in Südafrika sowas unterstützen leben nur von Spenden und bräuchten eigentlich viel mehr Hilfe! […] Sie leben nur von Spenden und helfen dann auch den Patienten, wenn die Familie der Patienten nicht mehr helfen kann!
Ich habe es noch nicht wirklich herausfinden können, welche Organisationen in Namibia so etwas anbieten können. Es gibt die „Cancer Association of Namibia“, aber sie konzentrieren sich aber mehr auf Brust und Prostatakrebs.
Aber die meisten Leute machen heutzutage nur noch „Go-fund-me“ Seiten, was auch sehr gut funktioniert. 

AIAS: Was wären denn so jetzt deine Pläne für die Zukunft? 

Matthias: Oh, wie gesagt: Mein Restaurant sollte in den nächsten 2 Wochen wieder öffnen. Ich will auf jeden Fall da wieder volle Pulle meine Energie hineinstecken und in der Zukunft? Heiraten! Irgendwann Kinder kriegen! Ich würde gerne in Namibia auch so etwas machen, die Datenbänke für Knochenmarkspender aufzubauen, denn hier gibt es gar keine. Das liegt wahrscheinlich daran, dass es hier [in Namibia] zu wenig Menschen gibt. Es läuft hier alles im Zusammenhang mit der „bone marrow registry“ aus Südafrika. So viel wie es geht in der Natur sein und ja, zum Glück teil haben an der Gestaltung von Swakopmund, damit ich in 10-15 Jahren sagen kann, dass ich immer noch hier bin. Auf jeden Fall will ich ein gesundes und strategische Leben führen. Nicht alles nur durchplanen, sondern auch mal spontane Sachen machen! Planen bringt einem nur so viel, klar- man sollte schon einen gewissen Plan haben für das Leben, aber nichts kommt so wie man es sich denkt! […] Vor allem sollte man seine Energie für die schönen Sachen im Leben aufheben und nicht auf die negativen Sachen!